Karl Rovers

*1937 in Köln, lebt in Bergheim

Fernmelder der Deutschen Bundespost, seit 1963 Volksschullehrer, seit 1975 Grundschulrektor der Gudrun Pausewang Schule in Bergheim, i.R.

Mitgliedschaften:
- Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV e.V.)
- Kinderschutzbund
- Vamos e.V.

Mehrere Jahre Moderator für Lehrer ausländischer Schüler

Veröffentlichungen

Veröffentlichungen:

- "Opa und warum der Wassermann Saxophon spielt", Selbstverlag 2004
- “Stichwörter zum Islam”, Soester Verlagskontor 1987
- “Brücken-Augen-Blicke” (Lyrik zur Begegnung mit Türken und ihrem Land), Anna-E. Schiffer Verlag 1987
- “Chile in Netzwerk”, Anna-E. Schiffer Verlag, 1988
- "Das Gebiss im Weihnachtsbaum", Verlag Ralf Liebe 2009

Beiträge in Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften, u.a.:

- "Wortnetze II", Autoreninitiative Köln 1990
- "Knollen, Kohle und Miljöh" - Erftkreis-Lesebuch, Rhein-Eifel-Mosel-Verlag 1990
- "Wo wir uns finden", Bergisches Lesebuch, Rhein-Eifel-Mosel-Verlag 1991
- "Zacken im Gemüt" - Deutschspachige Lyrik der 90er Jahre, Verlag Landpresse, 1994
- "Kopfreisen", Verlag Ferber und Partner 1999
- "Der parodierte Goethe" - Neue Texte zu alten Gedichten, 1999
- "Blitzlicht", Verlag Landpresse 2001
- "Schreiben", Verlag Ferber und Partner 2003
- "Übergänge 20", Books on Demand 2003
- "Spurensicherung" - Justiz und Kriminalgedichte, Verlag Landpresse 2005
- "Zeitbanditen" Verlag Ralf Liebe 2007
- "Versnetze", Verlag Ralf Liebe 2008
- "Zurück zu den Flossen", Verlag Steinmeier 2008
- "Versnetze_zwei", Verlag Ralf Liebe 2009
- "Drei Sandkörner wandern", Verlag Steinmeier 2009
- "Versnetze_drei", Verlag Ralf Liebe 2010
- "Versnetze_vier", Verlag Ralf Liebe 2011
- "Versnetze_fünf", Verlag Ralf Liebe 2012

Herausgeber:

- (mit Evert Everts): "Wolkenland" - Gedichte und Erzählungen, Verlag Ralf Liebe 2010



Leseproben:



Leseproben:

benedikts segen

benedikts segen berührt mit magischer geste lässt

placebo bereitwillige ihr denken gefangen

halten nichts zu sehen zu ahnen von millionen

toten und noch nicht genug weiter verursachten im

verwehren leben bewahrender aufklärung und das

gnadenlose verbot zu verhüten sein segen gilt

nur den seelen menschlichen schwächen und leiden ist er

sterbesegen so alt wie folter und feuer einem

himmel zugewandt an dem uns die sterne noch per hand

bewegt und von den kopfbedeckungen nach alten

bildern bis zu den roten schuhen noch prächtiger in

positur als seine vorgänger ist ihm allein die

seele rührend bis zum nonsens das einzige was

wichtig ist kostbarer als das ganze universum



den bach runter

nah am wasser gebaut
von gestern auf heute
die arbeit weg alles
den bach runter im fluss
weit vor tagesbeginn
schwimmen in ängsten
aufstehen versteinert
zum luftlöcherbohren
nicht ansprechbar tumb
kontaktlos die ohren
welt abseits verinselt
depressionen verkrampft
glasiges tauchen tief
bis auf flaschenböden
festgefahren mutlos
treibend in brodelnde
wahnsinnskatarakte
hinter verschlossenen
türen und fenstern ohne
aussicht aus ein mehr


Der Alte von Göreme

Du –
freundlicher alter Mann
von Göreme –
im Schatten
unter dem
Aprikosenbaum,
umgeben
von Tuffgestein;
an buschigen
kraftvollen Reben
Kapadokiens Wein.

Ich kam daher,
grüßte dich: Merhaba.
Deine Hände
reichten mir Früchte,
und es war
ein Friede
unendlich
ringsum;
von weither
brüllte ein Esel;
wir lächelten stumm.

Es war kaum
ein Jahr danach,
als ich sah,
da kamen Fremde,
und jeder selbst
sich Früchte nahm,
- dir vor den Augen -
und du
versuchtest
wegzuschauen
in Scham.
Und ich sah
dich wieder,
ein Jahr später,
hilflos zitternd,
einen Knüppel
in den Händen schwingend,
abzuwehren
lachende Touristen,
an den Bäumen
Äste brechend,
dich entehren.

Dein Aprikosenhain
verödet nun;
am Boden
sind die Reben
bald zertreten.
Oder –
du musst Zäune ziehen,
brauchst einen Hund,
dass die Fremden
- früher Gäste –
vor dir fliehen.

Unmöglich
Tür und Tor,
Verstand und Herz
in flachen Zeiten
dem Fremden
aufzuhalten.
Fortschritt löscht
Gespräche,
lässt Menschen konsumieren,
lieblos, ungenügsam eilen
nirgendwo
betroffen sein.



der darf das der kardinal

mit höheren weihen
menschen missachten
beleidigen verletzen
in angst versetzen
über sie richten
existenzen vernichten

der darf das
jederzeit der kardinal
wie schlimm auch immer
gottgefällig vorbildhaft
rufen die mitschuldigen

fromme gewänder
sind schon seit ewig
freibriefe erdenweit
betäuben gewissen
machen hingabebereit
idolgläubig devot

der darf das
jederzeit der kardinal
wie schlimm auch immer
gottgefällig vorbildlich
rufen die geblendeten

seelenfrieden abschotten
gegen jedes gespür
sprüche sprüche wiederholen
bis zum brechreiz
die opfer verspotten
totreden was offensichtlich

der darf das
jederzeit der kardinal
wie schlimm auch immer
gottgefällig vorbildlich
rufen die gehörlosen

der darf das
im nimbus der macht
humanität erstickt

wieder mal
wie lange noch darf er das


Die wachsende Stadt

Eine Autobahnbrücke. „Sie hält!“,sagt mein Verstand und fährt unter ihr her nach Atlantis.

Wie ein Saurier durchwandere ich die Stadt, ihre Straßen, Plätze und gelebten Augenblicke. Ein versunkenes Archiv. Nicht tot und mehr als Mythos.

Manches überwuchert, zerbrochen und doch wachsend. Abgelegte, verflossene Zeiten. Flüchtige Momente. Traumspaliere. Verschüttete Lebensfehler.
Unbewusste aber auch. Sie tauchen auf, bedrückend wie geschlossene Tore
und Fenster in einer basaltschwarzen Mauer. Unabänderlich.

Lichteinfälle. Bilder wie Dome, Moscheen und Sternennächte. Trunkenes Glückserleben. Atemzüge der Seele außerhalb elekrtonischer Faszinationen, Süchte und Gewohnheiten. Verstehensmomente. Ferne Orte zusammengerückt: Brandungswellen der Ostsee, hoher Buchenwald an einem Eifelmaar, die geschichtsträchtige Stadt Toledo, Tuffsteinhöhlen Kapadokiens. Alles mein Atlantis.

Auch die verlorenen Wege, materiell oder dogmatisch versperrt. Sie liegen herum oder stehen da wie unbenutzte Brucken. Verwünschtes und Irrtümer, verpulverte Zeiten und falsch gelebte Ideen wie Sperrgut in den Gassen herumstehend. Wie Schrott auf Hinterhöfen.

Und auch Klänge sind da in Atlantis. Ich höre mein Singen als Kind. Filmmusik über den Hügeln. Die Küchenlieder meiner Mutter. Chor- und Marschgesänge, wilde Rhythmen und leises Summen. In leeren Gewölben den klagenden Wind wie ein abgrundtiefes schmerzhaftes Stöhnen über den Bremsgeräuschen von Zügen.

Deja-vu-Erlebnisse haben sich manifestiert in der Stadt. Wiederholte Situationen, vertraute Bilder. Erinnerungen oder Erbe? Glaswände des Lebens, Rätsel und Ängste, Szenen, Gesten, Blicke, der Geschmack eines Apfels, der Duft frischen Brotes. Alles noch da in Atlantis.

Komme ich heim, ertappe ich Türen und Wände, sämtliches Mobilar um mich herum wie es sich langsam wieder in sich ruhenden Positionen bringt,
damit ich wieder zu Hause bin. Doch je älter ich werde, je weniger täuschen mich die alltäglichen Dinge.

Atlantis wird größer. Bald brauche ich nicht einmal abzutauchen. Es taucht selbst als Hintergrund des Greifbaren auf. Und der Stolz packt mich der wachsenden Stadt gerecht zu werden.



in euch

abgklärter
auf ältere art
wieder kindlich
spüren wir
zärtlich gesinnt
pflanzlicher
alles weibliche
lesen wir
verstohlen schauend
nicht zu verletzen
verschollenes auf
täuschungen auch
doch nie fassbarer
waren die träume
als in euch


kölnpanorama


im blick über
den rhein vorbei
am bronzenen reiter
und der bogenbrücke
das kölnpanorama
aufrecht die domtürme
denke ich an
new york


lebensfolter

menschen
ewig gespalten
und so
ein jeder für sich
nur halb
mann oder frau
lebt trennung
in frage
und antwort
beständige qual
in zeit und raum

mörderisch
die abstände
von du zu du
in dialogen
schwebende antworten
auf sich selber
nichts je greifbar
nicht einmal
die nähe

harmlos dagegen
die alte sense
das hinhalten
von traumbildern
aufhebung verheißend
hoffnung nährend
auf menschsein
lebensfolter
wieder und wieder
bleibt im dunkel
zähe sehnsucht
heimkehrmüde
nach geborgenheit
einem schoß in
dem wir nichts
ahnten von kälte
und
ewigem suchen


Midden em Fröhling

Kütt mer jefahre
vun wigger her
op Kölle ahn,
jitt et Stelle
an dr Autobahn,
do lurt mer tirek
straks op dr Dom

Mer sieht en piel op,
jrad em Fröhling
em Jröne esu schön,
dat et wih det.
Et Hätz hüp einem.
Mer künt hüle
för lauter Freud.

Dann an dr Tankstell
schreit einem jrell
su'n Zeidung
en et Jeseech,
vun Dud un Kreech.
Mer künnt hüle
för lauter Woot.

Dat Fünkche Freud
wie fottjeblose,
ne Kloß em Hals.
Zwei Türm himmelhuh
New York stich en dr Sinn
un dat Minsche su
unminschlich sin.


nimm sand

für alle worte
die uns fehlen
und alles
was wir nicht verstehen
nimm sand
in deine hände
sag inschalah
und lass ihn rinnen
zwischen deinen fingern
schau hin
oder schließ die augen
und weine
werde selbst sandkorn
und bedenke
allen sand der erde
dann aber
richte dich auf
richte dich immer
wieder auf


alles schreiben

alles schreiben
vieler schreiber
über schreiben
ernst und heiter
führt nur weiter
zum beschreiben
eines elefanten
nach empfinden
von zehn blinden

doch wen sollte
das schon stören
sind doch worte
zu beschwören
und das letzte
steht noch aus


spielplatznot

nach dem krieg
waren wir arm
lebten in kellern
papier vor den fenstern
kletterten halsbrecherisch
in schutt und ruinen
streiften wie diebe
und könige zugleich
durch trümmerberge

heut` aber herrscht
bis in die kleinste stadt
zwischen imobilien
autoglanz und hundekot
spielplatznot